Rezension zu Jörg Schlüters „Begierde“
Ein sommerlicher Grillabend an dem sogar für Südoldenburger
Verhältnisse reichlich viel Alkohol fließt. Paul Rubin wacht verkatert auf und
will seine Ehefrau Natalie mit einem frischen Kaffee überraschen, doch die
liegt tot im Bett, erstochen. Die ganze Nacht soll er mit dem Ausschlafen
seines Rauschs beschäftigt gewesen sein und dabei nicht bemerkt haben, dass
seine Frau neben ihm tot ist? Und außerdem weiß doch ganz Vechta, dass Natalie
es mit der Treue nicht ganz so genau genommen hat. Klingt nach einem klassischen
„der Ehemann wars“. Kommissarin Roswitha Meyer tappt auf jeden Fall ordentlich
im Dunkeln, irgendwas scheint da nämlich nicht zu passen – zudem legt Pfarrer
Reger für seinen Kirchenältesten Rubin die Hand ins Feuer. Die geneigte Leserin
weiß, was Meyer nicht weiß, nämlich dass noch vor dem Mord ein Mann versucht
hat, Natalie ins Bett zu zerren – erfolglos. Verdächtig macht sich von den
männlichen Partygästen – dem unscheinbaren Gregor Schneider, dem Sprücheklopfer
Karl Ritzer, dem eitlen Ludwig Maier und dem stets hilfsbereiten Johann Noth –
zumindest erstmal niemand. Und dann ist da auch noch Jan Kleinlage, der
Nachbar, der meistens etwas zu lange am Fenster steht. Der Autor erschafft
lebendige Figuren, die das Mitraten so kurzweilig wie knifflig machen. Der
pensionierte Pfarrer schreibt nicht nur einen spannenden „Whodunnit“, sondern
lässt den Leser auch an der Gedankenwelt von Meyer teilhaben, der der Spagat
zwischen Familie und blutrünstigem Beruf wahrlich zu schaffen macht. Jörg
Schlüter legt mit „Begierde“ seinen zehnten Vechta-Krimi vor, der Erlös geht
wie immer an karikative Einrichtungen. Sie müssen dieses Buch nicht kaufen,
aber wenn Sie wissen wollen, wer denn jetzt das Leben von Natalie Rubin auf dem
Gewissen hat und dazu fähig war sie mit 17 Messerstichen zu töten, dann sollten
Sie sich doch auf den Weg in eine Buchhandlung machen.
Elke Heidewitzka